Finanzgericht Berlin-Brandenburg zur Anmeldung von Steuerforderungen in der Insolvenz, Restschuldbefreiung

Finanzgericht Berlin-Brandenburg 16. Senat, 05.07.21, AZ 16 K 11072/19

Am 5. Juli 2021 entschied der 16. Senat des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg über die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Anmeldung von Steuerforderungen im Insolvenzverfahren, insbesondere im Zusammenhang mit Steuerstraftaten. Diese Entscheidung ist von Bedeutung für Gläubiger und Schuldner gleichermaßen, da sie die Anforderungen an die Anmeldung von Forderungen und die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen klärt.

Hintergrund der Entscheidung

Im Streitfall ging es um die Feststellung der Eigenschaft einer Insolvenzforderung des Finanzamts, die im Zusammenhang mit einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerhinterziehung stand. Der Kläger hatte im Rahmen seines Insolvenzverfahrens Widerspruch gegen die Forderung eingelegt, da die rechtskräftige Verurteilung zum Zeitpunkt der Forderungsanmeldung noch nicht vorlag. Dies führte zu der zentralen Frage, ob die Verurteilung bereits bei der Anmeldung der Forderung vorliegen muss oder ob sie auch nachträglich berücksichtigt werden kann.

Leitsätze der Entscheidung

Die Entscheidung des Gerichts beinhaltete mehrere wesentliche Leitsätze:

1. Eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer Steuerstraftat muss nicht zum Zeitpunkt der Anmeldung der Forderung vorliegen. Es bleibt jedoch unklar, ob sie bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung vorliegen muss.

2. Bei der Anmeldung der Forderung sind keine spezifischen Umstände anzugeben, die die Steuerstraftat belegen. Das Attribut „Zusammenhang mit einer Steuerstraftat“ kann nachträglich angemeldet werden, solange dies bis zum Ablauf der Abtretungsfrist geschieht.

3. Die Zuständigkeit für Streitigkeiten über das Attribut „Zusammenhang mit einer Steuerstraftat“ ist noch nicht abschließend geklärt, ob der Zivilrechtsweg oder der Finanzrechtsweg gegeben ist.

Verfahrensgang und Entscheidungsgründe

Der Kläger hatte im Jahr 2015 Insolvenz angemeldet, und das Finanzamt meldete Forderungen in Höhe von über 116.000 Euro an. Diese Forderungen wurden zunächst ohne Hinweis auf einen Zusammenhang mit einer Steuerstraftat in die Insolvenztabelle eingetragen. Nach der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers wegen Steuerhinterziehung beantragte das Finanzamt eine Berichtigung der Tabelle, um den Zusammenhang mit der Steuerstraftat festzustellen.

Das Gericht stellte fest, dass die Anmeldung des Attributs auch nachträglich erfolgen kann und dass die rechtlichen Anforderungen an die Anmeldung von Forderungen im Insolvenzverfahren nicht so strikt sind, wie vom Kläger angenommen. Die Entscheidung betont die Flexibilität im Insolvenzrecht und die Möglichkeit, dass Gläubiger ihre Ansprüche anpassen können, um den rechtlichen Rahmenbedingungen gerecht zu werden.

Relevanz der Entscheidung

Die Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf die Praxis der Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren. Sie verdeutlicht, dass Gläubiger nicht nur auf die ursprüngliche Anmeldung der Forderung beschränkt sind, sondern auch nachträglich Anpassungen vornehmen können, um rechtlichen Anforderungen zu genügen. Dies ist besonders relevant für Fälle, in denen Steuerstraftaten im Raum stehen, da die rechtlichen Konsequenzen für Schuldner erheblich sein können.

Fazit

Die Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg bietet wichtige Klarstellungen zur Anmeldung von Steuerforderungen im Insolvenzverfahren und zur Berücksichtigung von Steuerstraftaten. Sie zeigt die Notwendigkeit einer flexiblen Handhabung im Insolvenzrecht und die Bedeutung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Rechte von Gläubigern und Schuldnern. Die Zulassung der Revision zum Bundesfinanzhof lässt darauf schließen, dass weitere Klärungen in dieser Thematik notwendig sind und zu erwarten sind.

Sie können das Urteil hier als PDF einsehen.

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